Herkunft der Seide

Seide made in China: ein Gütezeichen

 

Schon seit Ewigkeiten begehren die Menschen Stoffe, die beim Tragen ein angenehmes Gefühl hervorrufen und von hoher Qualität sind. Seide verkörpert beides. Seide ist ein natürliches Produkt. Oder präziser: ein tierisches Erzeugnis wie beispielsweise die Wolle vom Schaf resp. Wollstoffe oder die Wolle von der Kashmirziege resp. Kashmirstoffe.

Seidenkokon

KOKONTRANSPORT

Der Seidenstoff hat seinen Ursprung in China. Bereits 2000 vor Christus beherrschte China die Herstellung von Seide. China hat die Seidenproduktion auf den höchst entwickelten Stand gebracht. Allerbeste Seide stammt auch heute noch aus China. Wenn auf einem Produkt mit Seidenstoffen vermerkt ist "made in china", so ist dies ein Zeichen der Güte. Zusätzlich zur hohen Qualität ist China heute der grössste Seidenproduzent weltweit. In weit geringerem Ausmass betreiben auch Länder wie Kamboscha, Vietnam, Japan, Indien, Brasilien sowie Gegenden in Südeuropa eine Seidenzucht.

 

 

 

 

 

 

Warum ist China die Seidenstube?

 
Maulbeerbaum

MAULBEERBAUM

Bestimmte Gegenden in China haben ein höchst geeignetes Klima für die Seidenraupe und deren Futter, die Blätter des weissen Maulbeerbaums. Die Frucht der Maulbeere sieht ähnlich aus wie die Brombeere, ist für den Markt aber nicht geeignet, da sie schnell verdirbt. Die Seidenraupe, die sich ausschliesslich von den Blättern des weissen Maulbeerbaums ernährt, wird auch als Maulbeerspinner oder Edelseidenspinner (lat. Bombyx mori) bezeichnet.

Aus dem Kokon dieser Seidenraupe wird der Seidenfaden der Edelseide gewonnen. Er besteht hauptsächlich aus Protein und hat einen Durchmesser in der Grössenordnung von 0.02 mm. Der Maulbeerspinner schafft den einzigen fertigen edlen Faden der Welt, der nicht gesponnen werden muss.

Die Seidenraupe bevorzugt, wie bereits erwähnt, die Blätter des weissen Maulbeerbaums. Dort wo der Maulbeerbaum gut gedeiht, ist das beste Futter für die Seidenraupen. Im Frühling schlüpft die Raupe aus ihrem Ei. Nachher ist sie für ein paar Wochen beschäftigt, die frischen Blätter des Maulbeerbaums zu fressen. Nach dieser kurzen Lebenszeit spinnt sie einen Kokon. Sie schafft quasi das Haus für ihre Verpuppung. Wiederum nach wenigen Tagen hat sich darin ein Edelseidenspinner-Falter entwickelt, der ausfliegt und sich darauf für einen bis zwei Tage mit dem andern Geschlecht verkoppelt. Als letzter Akt legt der Seidenfalter zahlreiche Eier, von denen jedes nicht grösser ist als ein Körnchen Mohn auf einem Mohnbrötchen. Aus diesen wiederum erwachsen nach ein paar Wochen kleine Raupen. Dies ist der faszinierende Kreislauf von der Raupe zum Schmetterling.

Literaturhinweise siehe Text "Seidengeheimnis"

 

Die Entdeckung des Seidenfadens

 

Heute ist der Vorgang zur Seidengewinnung eine selbstverständliche Gewissheit geworden. Jedoch vor langer, langer Zeit brauchte es jemanden, der diese Zusammenhänge entdeckte und bemerkte, dass der Seidenfaden vom Kokon der Seidenraupe für Stoffe verwendet werden kann. Für Chinas Seide ist der legendäre Urkaiser Huangdi entscheidend. Er soll in der Zeit von 2698 - 2598 v. Chr. regiert haben.  Seine Gemahlin entdeckte den Seidenfaden und hat zudem eine Technik geschaffen, den Seidenfaden vom Kokon abzuwickeln. Die Legende geht so (Timmermann, 1986, S. 15):

Seidenfalter.Kokon

SEIDENFALTER, KOKON

Die Kaiserin Xiling ging eines Tages mit ihren Hofdamen in den kaiserlichen Gärten spazieren. Man suchte Schatten unter einem dichtbelaubten Baum. Plötzlich entdeckte Xiling helle, runde Gebilde, die sie für Früchte hielt. Als sie das vermeintliche Obst pflücken wollte, schlüpfte ein bepelzter Schmetterling daraus hervor und entfaltete seine Flügel. Die Kaiserin fühlte, wie weich die Hülle des abgelegten Faltergewandes war. Sie erkannte die einzigartige Schönheit. Sie hatte die Seide entdeckt.

Der Kaiserin blieb zudem die zweite wichtige Gegebenheit nicht verborgen: die des endlosen Seidenfadens. Neugierig geworden beobachtete sie aufmerksam eine sich einspinnende Raupe. Durch die ersten, lose am Blatt befestigten Fäden sah sie, wie das kleine Tier in ununterbrochenen Windungen einen Faden um sich herum legte, bis die Hülle zu dicht geworden war, um noch etwas zu erkennen. Sie schloss daraus, dass es gelingen müsse, die von der Raupe gebildeten Fadenschlaufen in umgekehrter Folge wieder zurückzuwickeln.

Ihre genaue Beobachtung und ihre Schlussfolgerung hatten sie nicht getäuscht. Xiling setzte ihre Erkenntnisse tatkräftig in die Praxis um und erfand ein neuartiges Arbeitsgerät zum Abhaspeln des Fadens und eine verbesserte Technik, um ihn aufzuwickeln. Die Haspelseide oder auch Edelseide hatte ihren Anfang genommen.

Mit dieser genialen Beobachtung und dem Erfinden einer funktionierenden Haspeltechnik stand die Kaiserin ebenbürtig neben ihrem Kaisergemahl Huangdi.  Huangdi wird als erster eigentlicher Begründer der chinesischen Nation verehrt. Um die Entdeckung dem gesamten Volk zukommen zu lassen, erhielt die Kaiserin von ihrem Gatten den Auftrag, dem Volk den tieferen Sinn ihrer umwälzenden Erfindung zu lehren, damit es Kleider erhalte und durch die Seide gewärmt nicht mehr an Hautrissen und Frostbeulen leiden muss.

Literaturhinweise siehe Text "Seidengeheimnis"

Seidengeheimnis

 

In der Geschichte Chinas spielt die Seidenzucht eine grosse Rolle. Die Verehrung einer Göttin für die Schaffung und Verwendung der Edelseide unterstreicht diese Bedeutung. Für die Seidenzucht und das Weben war die Frau zuständig, für die Ackerbewirtschaftung der Mann.

Seidenraupenzucht

SEIDENRAUPENZUCHT

Die sorgfältige Pflege der Seidenraupen durch die Seidenbäuerin brachte aussergewöhnlich schöne Seide zustande, die übrigens durch kaum eine Neuerung verbessert werden konnte. Die gelungene Abstimmung von Seidenspinner und ihrem Futter, den Blättern des weissen Maulbeerbaums war eines der grössten "Seidengeheimnisse" Chinas. Das ahnte man im Westen erst rund 1000 Jahre nach dem Einschmuggeln der Spinnereier nach Byzanz.

Die später hochentwickelte Seidenindustrie in Italien und Frankreich trug den Herstellern auf, für die hochwertigsten Seiden und Samte nicht die Seidengarne des eigenen Landes, sondern Importgarne aus China zu verweben.

Auch in der gegenwärtigen Zeit stammt die Seide von teuren Seidenschals grossteils aus China. Vereinzelt wird in Europa das Design kreiert oder die Seide wird in einem europäischen Land bedruckt.

Heute sammelt man die Raupen, wenn sie spinnreif werden, in Behälter, füllt sie in Rahmen mit kleinen Zellen, in welchem jede Raupe einen ordentlichen Kokon bildet. In Japan füttert man keine Maulbeerblätter mehr, sondern eine Art Synthetikpaste. Seide hat eine lange Geschichte, ist in den letzten Jahrzehnten aber auch durch synthetische Produkte (Polyester, Rayon) erfolgreich nachgemacht worden. Sie sind der generischen Seide oft zum Verwechseln ähnlich, dass nur das geschulte Auge sie von der echten Seide unterscheiden kann. Synthetische Erzeugnisse sind in der Herstellung weniger kostenintensiv. Ihr Verkaufspreis ist deshalb auch viel günstiger als der der Seide.

Seidenfaden, Kokon

SEIDENFADEN, KOKONSeidenfadenkokon

 

Literaturhinweise

Timmermann, I. (1986). Die Seide Chinas. Eine Kulturgeschichte am seidenen Faden. Köln: Diederichs.

Boulnois, L. (1964). Die Strassen der Seide. Wien: Paul Neff Verlag.

Fotos aus:

Schoeser, M. (2007). Silk. New Haven: Yale University Press.

Liming, W. (2002). The Land of Silk. Beijing: Foreign Languages Press.